Haben anachronistische Pen&Paper-Rollenspiele in der heutigen Netzwelt noch ihre Daseinsberechtigung? Ich glaube schon, denn sich gepflegt in trauter Runde treffen, zusammen ein paar Bierchen trinken und dabei spannende Abenteuer erleben, ist für mich das richtige Kontrastprogramm zum hektischen Web-Alltag. Hier jedenfalls die erste Episode unseres ersten Mechwarrior-Abenteuers, das ich derzeit für ein paar Kollegen meistere. Viel Spaß beim Lesen!
Was bisher geschah …
Wir schreiben das Jahr 3034. Es ist Winter, zumindest nach
terranischer Normzeit. Auf Solaris VII aber, regnet es fast das ganze Jahr über.
Um nicht bis auf die Knochen nass zu werden, haben sich zwei Gestalten in eine
Bar namens The Cabin geflüchtet, die sich weitab des Stadtzentrums von Solaris
City befindet. Die Gegend, in der sich die Bar befindet, wird im Volksmund nur
das ‚Nördliche Pier‘ genannt, da sich hier der Solaris River hindurch schlängelt.
Über Jahrhunderte war dieser Ort alles andere als beliebt, da er überwiegend
als Müllkippe und Schrottplatz für die Überbleibsel der zahllosen Arenakämpfe
genutzt wurde. Denn Solaris VII ist die Spielewelt, in der Mechkrieger aller
Nationen für Geld, Macht und Ruhm gegeneinander antreten. Die besten von ihnen
gehören Ställen im Stadtkern an, welcher allein so riesig ist, wie einige der größten terranischen Städte des 21. Jahrhunderts. Die fünf Stadtteile
verteilen sich auf die großen Häuser: Davion, Steiner, Kurita, Marik und Liao. Ihre
Randgebiete nennt man allgemein nur die ‚Reaches‘, dazu gehört auch das
Nördliche Pier. Orte wie dieser bilden eine Zuflucht für Verfolgte,
Abgehalfterte oder einfach nur Abgebrannte, wie unsere beiden Protagonisten.
Der eine, etwas kleinere, ist in den Vierzigern. Sein Kopf ist derart kurz
rasiert, als ob er sich erst kürzlich von seinem Haupthaar getrennt hätte. Einzig
Stoppeln zeugen von einer ehemals prächtigen schwarzen Mähne. Unter den vielen
Narben, die sein Gesicht prägen, zeigen sich scharfkantige asiatische Züge.
Sein Kompagnon hingegen, der über einen Kopf größer ist, sieht aus als wäre er einer
Werbebroschüre für Outdoor-Bekleidung entsprungen. Er ist erheblich jünger, vielleicht
Anfang Zwanzig, groß, blond und breitschultrig. Ein ungleicheres Paar trifft
man selten. In den Randgebieten von Solaris City aber, … ist vieles möglich,
was in der restlichen Inneren Sphäre undenkbar wäre.
Die Kneipe The Cabin ist schlecht beleuchtet und kaum besetzt. In der
Ecke kämpft quietschend eine altersschwache Klimaanlage gegen die sich
aufstauende Hitze an, die von den vielen Bildschirmen erzeugt wird, die sich
überall im Raum befinden. Live-Übertragungen und Aufzeichnungen aus den
verschiedenen Arenen flimmern über die Mattscheiben. Auch jetzt blitzt wieder
Laserfeuer auf, Raketensalven schleudern Erdreich durch den Sichtbereich und reißen
Panzerplatten in Fetzen.
Das Inventar der Bar erscheint alt, ein wenig schäbig.
Stühle und Tische erwecken den Eindruck, als ob es hier bereits zahlreiche handfeste
Auseinandersetzungen gab. Trunkene Krieger, die den Kampf aus der Arena hierher
getragen haben vielleicht. Oder enttäuschte Stallinhaber und Glücksritter, die
auf den falschen Kämpen setzten. Im hinteren Bereich des Raumes verhängen dicke
Filzvorhänge ein halbes Dutzend Séparées, die offensichtlich für private Runden
genutzt werden. Was hier wohl gespielt wird?
Als die zwei Neuankömmlinge an den Tresen treten, blickt der
bärtige Mann dahinter nur flüchtig auf. „Was darf’s sein?“, schnarrt der Barkeeper.
„Ein Bier für mich und … was will mein Freund hier trinken?“, fragt der große
Blonde. Der Asiate schaut flüchtig über die aufgereihten Flaschen hinter der
Theke und antwortet leise: „Sake.“ Der Barmann stimmt ein tiefes, leicht
verächtliches Lachen an. „Bei uns gibt es nur Bier und Drinks für echte Männer.
Deinen Reisschnaps kannste bei deinen schlitzäugigen Freunden bestellen.“
Kaum ist das letzte Wort ausgesprochen, zieht der Asiate blitzschnell sein
Seitenschwert, ein japanisches Katana, und hält es dem
überraschten Barmann an die Kehle. „Sake, jetzt! Und keine weiteren
Unverschämtheiten.“ Schweiß perlt von der Stirn des bulligen Mannes. Mit
zittriger Stimme antwortet er: „Sorry Mann, aber wir haben keinen Sake. Nur
Whiskey, einverstanden?“ Der Japaner nickt knapp und lässt das Schwert langsam,
aber mit sicherer Hand wieder in der Scheide verschwinden. Der Barkeeper schenkt,
immer noch zitternd, ein, da kommen Schritte aus einer dunklen Ecke des Raumes langsam
näher. „Fred, hast du Probleme?“ Das Klacken der Sicherung einer Handfeuerwaffe
ist in der Stille des Raumes gut zu hören. „Nein, alles in Ordnung. Wir wollen
doch kein Blutvergießen hier, oder?“ Der vierte Mann, offenbar der Rausschmeißer
der Bar, setzt sich für alle gut sichtbar auf einen wenige Meter entfernten
Barhocker und klopft vielsagend auf den Schulterholster unter seiner linken
Achsel und nickt dem Asiaten zu. „Noch so eine Aktion und Freddy muss mehr
aufwischen als nur verschüttetes Bier.“
„Also, was wollen Typen wie ihr hier?“, fragt der Barmann
mit angespannter Stimme und streicht die Credits ein, die der große Blonde als
Bezahlung für die Getränke über den Tisch geschoben hat. „Einen Job“, antwortet
dieser und versucht ein möglichst sympathisches Lächeln dabei aufzusetzen. „Wir
sind …“ „… völlig abgebrannte Mechjockeys“, komplettiert der Barmann den Satz
des Blonden und setzt eine ernste Miene auf. „Eure Sorte haben wir hier öfter. Darf
ich mal eure Ausweise sehen? Nein, nicht den von euch, den eurer Mechs“ Er deutet
mit seinem Daumen auf eine anachronistisch anmutende Holztafel über dem Tresen,
worauf steht: „If you ain’t got a Mech, you ain’t get served!“ Widerwillig
schiebt das Duo ihre frisch in Plastik verschweißten Ausweise zu Fred, dem
Barkeeper. „Scheinen mir in Ordnung zu sein. So so, eure Mechs sind am
Raumhafen eingelagert. Habt wohl noch keinen Anschluss gefunden, wie? Da seid
ihr hier genau richtig, denn in diese Bar kommen häufiger Rekrutierer für
Söldnereinheiten und Ställe, die Nachwuchstalente suchen.“ Der Blonde lehnt
sich ein Stück weit über den Tresen und setzt ein gewinnendes Lächeln auf: „Genau
das haben wir auch gehört.“ Der Barkeeper wirft einen kurzen Blick auf den
Asiaten und nickt in dessen Richtung. „Obwohl, von Nachwuchs kann man bei
deinem Partner ja nicht die Rede sein, so … ‚reif‘ wie er aussieht.“ Der
Barkeeper kann ein öliges Grinsen nicht unterdrücken, aber diesmal lässt sich
der Asiate nicht provozieren.
Just in diesem Moment wird es im hinteren Bereich der Kneipe
laut und der Rausschmeißer, der es sich auf einem der Barhocker in der Nähe
bequem gemacht hatte, geht schnellen Schrittes dem Tumult entgegen. Kurz darauf
kehrt er mit einem Mann zurück, den er in Richtung Ausgang drängt und dabei dessen
Arm mit routiniertem Griff auf dessen Rücken hält. Der Abgeführte ist um
die Vierzig, unrasiert, etwas untersetzt und trägt einen mit Öl verschmierten
Overall. Die Haare, die er hinten etwas länger trägt, kräuseln sich im Nacken.
Während ihn der Wachmann vor sich her schiebt, stößt der Mann im Overall mit
hartem, deutschem Akzent wilde Flüche aus. „Alta, nimm die Finger von mir! Oder
ich brech‘ dir sämtliche Knochen. Scheiße, ich hab‘ ein Recht hier zu sein,
genau wie alle anderen!“ Der große Blonde wendet sich dem Barmann zu und
schaut ihn fragend an. Der zieht die Schulter hoch und setzt eine übertrieben
mitleidige Mine auf. „Er ist einer von denen, ein Entrechteter. Ein Mechkrieger
ohne Mech, und die haben hier nichts zu suchen. Ist schlecht fürs Geschäft,
wenn Typen wie der hier die Stallinhaber und andere unserer besser betuchten Kunden um
einen Mech anbetteln.“ „Na klar hab‘ ich einen Mech!“ zischt der Abgeführte
zwischen den Zähnen hervor. „Ich kann‘s beweisen!“ Der Barmann bedeutet dem
Rausschmeißer, seinen Griff zu lockern. „Na, denn mach mal.“ Als der Störenfried
einen abgewetzten Zettel aus seinem Mantel nestelt und den Anwesenden für den
Bruchteil einer Sekunde unter die Nase hält, bricht der Barkeeper in
schallendes Gelächter aus. „Pack deinen Schülerausweis wieder ein! So
eine miese Fälschung hab‘ ich lang nicht mehr gesehn." Pickiert blickt der Entrechtete den Barkeeper an. „Ey Mann, für den Ausweis habe ich in Silesia viel Kohle bezahlt, der ist nicht scheiße gefälscht!"
Als der Rausschmeißer ihn erneut ruppig packt, fasst sich der Blonde ein Herz und schiebt dem Barkeeper unter der Hand einen
50-Credits-Schein zu. „Und was, wenn er zu uns gehört?“ Der Bärtige lässt seine
raue Hand über die des Blonden gleiten und den Geldschein in seiner Schürze
verschwinden. „Okay, aber nur für heute. Sollte er morgen wieder da sein,
verdoppelt sich die ‚Gebühr‘, verstanden? Also, was darf’s für dich sein, ‚Mechkrieger‘?“
Das letzte Wort spricht der Barkeeper derart verächtlich aus, dass Spucketropfen
auf dem Tresen landen. „Für mich auch ein großes Blondes.“ Er wendet sich dem
Großen zu. „Und danke Mann, das ist echt nett von euch. Ash mein Name, und wie
heißt ihr?“
Wird fortgesetzt ...